
Angsstörung
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Angst ist zunächst etwas Positives – sie warnt uns vor Gefahren und sorgt dafür, dass wir vorsichtig sind. Bei einer Angststörung ist diese Angst jedoch übermäßig stark, unrealistisch oder tritt ohne akute Bedrohung auf. Betroffene erleben Herzrasen, Atemnot, Zittern, Schwindel, ein Gefühl von Kontrollverlust oder Todesangst.
Diese Reaktionen sind so heftig, dass sie den Alltag stark beeinträchtigen. Viele Menschen vermeiden bestimmte Orte, Situationen oder Tätigkeiten aus Angst vor neuen Angstattacken – ein sogenanntes Vermeidungsverhalten, das die Angst langfristig noch verstärken kann.
Häufige Formen von Angststörungen:
Generalisierte Angststörung: Dauernde Sorgen („Was ist, wenn…?“), körperliche Anspannung, Nervosität
Panikstörung: Plötzliche Panikattacken mit massiven körperlichen Symptomen (Herzrasen, Atemnot, Todesangst)
Agoraphobie: Angst vor Menschenmengen, weiten Plätzen oder Reisen, oft in Verbindung mit Panikstörung
Soziale Phobie: Angst vor Bewertung durch andere, starke Hemmung in sozialen Situationen
Spezifische Phobien: Angst vor bestimmten Objekten oder Situationen (Spinnen, Spritzen, Höhen)
Zwangsstörung: Zwangsgedanken oder -handlungen, um Angst zu reduzieren
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Die Entstehung von Angststörungen ist multifaktoriell – mehrere Einflüsse wirken zusammen:
Biologische Faktoren: Überempfindliches Stress- und Alarmsystem im Gehirn, Dysbalance von Botenstoffen (z. B. Serotonin, GABA)
Genetik: Erhöhtes Risiko, wenn Eltern oder Geschwister betroffen sind
Lernerfahrungen: Angst kann durch traumatische Erlebnisse oder Beobachtung anderer „erlernt“ werden
Psychosoziale Belastungen: Dauerstress, Überforderung, belastende Lebensereignisse (Trennung, Jobverlust)
Persönlichkeitsmerkmale: Hohe Sensibilität, Perfektionismus oder starkes Kontrollbedürfnis erhöhen die Anfälligkeit
Substanzmissbrauch: Übermäßiger Konsum von Koffein, Alkohol oder Drogen kann Angst verstärken
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Eine Angststörung wirkt sich oft auf alle Lebensbereiche aus:
Beruf / Schule: Konzentrationsschwierigkeiten, häufige Fehlzeiten, Leistungsabfall
Soziales Leben: Rückzug von Freunden, Vermeidung von Feiern, öffentlichen Verkehrsmitteln oder Reisen
Körper: Muskelverspannungen, Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen, Schwindel
Psyche: Ständiges Grübeln, Katastrophisieren, Selbstzweifel
Freizeit: Weniger Hobbys, weniger Sport – oft aus Angst vor Symptomen (z. B. Herzklopfen bei Bewegung)
Finanzen: Häufige Arztbesuche oder Arbeitsausfälle können zu finanzieller Belastung führen
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Menschen mit Angststörungen beschreiben, dass die Angst sich völlig real anfühlt, auch wenn sie wissen, dass keine objektive Gefahr besteht.
Typische Gedanken und Gefühle:
„Ich habe Angst, die Kontrolle zu verlieren.“
„Mein Herz rast – ich bekomme einen Herzinfarkt.“
„Ich blamiere mich vor allen.“
„Ich werde verrückt.“
Diese Gedanken führen oft zu noch mehr Anspannung – ein Teufelskreis aus Angst, körperlichen Symptomen und Vermeidungsverhalten entsteht.
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Häufigeres Grübeln, Unruhe
Schlafstörungen, nächtliches Aufwachen
Wiederkehr von körperlichen Symptomen (z. B. Herzrasen, Schwindel)
Zunehmendes Vermeidungsverhalten („Ich gehe lieber nicht…“)
Gereiztheit oder erhöhte Sensibilität
Tipp: Frühwarnzeichen ernst nehmen und besprechen – je früher gegengesteuert wird, desto kleiner die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls.
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Partner oder Eltern übernehmen oft Aufgaben, um Angst auslösende Situationen zu vermeiden → das kann das Vermeidungsverhalten verstärken
Angehörige sind häufig ratlos, weil sie die Angst nicht „wegreden“ können
Belastung kann zu Konflikten führen, wenn Betroffene wichtige Termine nicht wahrnehmen oder sich isolieren
💡 Hilfen für Angehörige:
Sich selbst informieren (Bücher, Kurse, Angehörigengruppen)
Geduldig sein, kleine Schritte unterstützen
Eigene Grenzen wahren – nicht alle Ängste „abpuffern“
Eigene Entlastung suchen (Gespräche, Pausen, Selbsthilfegruppen)
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Die Behandlung ist gut erforscht und oft sehr erfolgreich:
Psychotherapie: Verhaltenstherapie mit Expositionsübungen (sich der Angst stellen), kognitive Techniken (neue Gedankenmuster erlernen)
Medikamente: Antidepressiva (SSRIs, SNRIs) bei schwerer oder chronischer Angst; Benzodiazepine nur kurzzeitig und unter ärztlicher Kontrolle
Psychoedukation: Verstehen, wie Angst entsteht und wie man den Teufelskreis durchbricht
Körpertherapie: Entspannungsverfahren, Atemtherapie, Biofeedback
Selbsthilfegruppen: Austausch entlastet, vermittelt das Gefühl, nicht allein zu sein
Kombinationsbehandlung: Medikamente + Therapie sind besonders wirksam bei schweren Verläufen
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Hilfreiche Strategien:
Regelmäßiger Tagesablauf: Fester Schlaf-Wach-Rhythmus, Pausen einplanen
Entspannung: Atemübungen (z. B. 4–7–8-Atmung), Progressive Muskelentspannung, Yoga
Bewegung: Regelmäßiger Sport senkt die Grundanspannung
Selbsthilfe: Angsttagebuch führen, Erfolge festhalten
Soziale Kontakte: Austausch mit vertrauten Menschen, Selbsthilfegruppen besuchen
Langfristige Therapie: Auch nach Besserung gelegentlich Auffrischungssitzungen