Selbstfürsorge
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Selbstfürsorge bedeutet, gut mit sich selbst umzugehen und die eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen. Für Menschen mit psychischen Erkrankungen ist das besonders wichtig – und gleichzeitig oft sehr schwer umzusetzen. Viele Betroffene fühlen sich schwach, wenn sie sich Pausen gönnen, oder haben das Gefühl, nichts „wert“ zu sein. Angehörige wiederum stellen ihre eigenen Bedürfnisse zurück, weil sie sich fast ausschließlich um den erkrankten Menschen kümmern. Doch ohne Selbstfürsorge geraten beide Seiten schnell in Erschöpfung.
Selbstfürsorge ist keine Egozentrik. Es geht nicht darum, andere zu vernachlässigen, sondern darum, die eigenen Kräfte zu bewahren, damit man für sich selbst und andere da sein kann. Der Körper gibt dabei wichtige Hinweise: Müdigkeit, Verspannungen oder Reizbarkeit sind Signale, dass es Zeit für eine Pause ist. Auch seelische Warnzeichen – etwa das Gefühl, innerlich leer oder überfordert zu sein – sollten ernst genommen werden. Selbstfürsorge bedeutet, diese Signale wahrzunehmen und darauf zu reagieren.
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Im Alltag zeigt sich Selbstfürsorge in kleinen Routinen. Dazu gehört ausreichend Schlaf, regelmäßige Mahlzeiten und die bewusste Gestaltung von Pausen. Wer feste Strukturen einführt, gibt sich selbst Orientierung und Sicherheit. Es ist hilfreich, jeden Tag Momente einzuplanen, die nicht zweckgebunden sind – also nicht Arbeit, Haushalt oder Verpflichtung, sondern kleine Dinge, die Freude machen: Musik hören, spazieren gehen, ein Gespräch mit einer vertrauten Person.
Auch Grenzen gehören zur Selbstfürsorge. Viele Menschen haben Schwierigkeiten, „Nein“ zu sagen, weil sie andere nicht enttäuschen wollen. Doch wer dauerhaft über die eigenen Kräfte hinausgeht, brennt aus. Grenzen setzen bedeutet, ehrlich zu den eigenen Möglichkeiten zu stehen. Es ist in Ordnung, Hilfe zu erbitten oder Aufgaben abzulehnen, wenn man spürt, dass sie nicht mehr zu schaffen sind. Im Alltag kann es schon entlasten, kleine Dinge bewusst zu vereinfachen – etwa einfache Mahlzeiten zu kochen statt komplizierte Gerichte, oder nur eine Aufgabe am Tag zu planen.
Für Angehörige ist Selbstfürsorge ebenfalls zentral. Wer viel Verantwortung trägt, braucht Inseln der Erholung. Das können feste Auszeiten sein, kleine Rituale oder die Inanspruchnahme von Entlastungsangeboten wie Tagespflege oder Beratung. Wichtig ist, Schuldgefühle loszulassen: Nur wer für sich selbst sorgt, kann auch dauerhaft für andere da sein.
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Eine einfache Übung der Selbstfürsorge ist das bewusste Innehalten. Nimm dir mehrmals am Tag eine Minute Zeit, halte kurz inne, atme bewusst und frage dich: „Wie geht es mir gerade? Was brauche ich jetzt?“ Schon dieser kleine Moment der Aufmerksamkeit kann helfen, eigene Bedürfnisse klarer wahrzunehmen.
Auch kleine Genussübungen wirken stärkend. Das kann ein Stück Schokolade sein, das du ganz bewusst isst, ein Lieblingslied, das du dir in Ruhe anhörst, oder ein kurzer Spaziergang, bei dem du dich auf Farben, Geräusche und Gerüche konzentrierst. Solche Momente holen dich aus dem Dauerstress und erinnern daran, dass es neben Belastungen auch kleine Freuden gibt.
Ein weiteres Werkzeug ist das Führen eines Selbstfürsorgetagebuchs. Notiere jeden Abend drei Dinge, die dir gutgetan haben – egal, wie klein sie sind. Mit der Zeit entsteht ein Bewusstsein dafür, dass Selbstfürsorge nicht aus großen Schritten besteht, sondern aus vielen kleinen Handlungen. Wer dazu neigt, eigene Bedürfnisse zu übersehen, bekommt so eine positive Rückmeldung.
Manchmal ist Selbstfürsorge auch, Hilfe von außen anzunehmen. Sprich mit Freunden, Familie oder Fachkräften darüber, was dir schwerfällt, und überlege, wie dich andere entlasten können. Das kann der Besuch einer Beratungsstelle sein, die Inanspruchnahme eines ambulanten Dienstes oder die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe. Selbstfürsorge bedeutet nicht, alles allein schaffen zu müssen, sondern auch zu erkennen: „Ich darf Unterstützung annehmen.“
Das Ziel von Selbstfürsorge ist, die eigenen Kräfte zu bewahren und Schritt für Schritt mehr innere Stabilität zu gewinnen. Es sind oft die kleinen Routinen und bewussten Momente, die den Unterschied machen. Wer für sich selbst sorgt, schafft die Grundlage, um den Alltag besser zu bewältigen und auch für andere da sein zu können – ohne sich selbst dabei zu verlieren.
Notfall-Hinweis
⚠️ Bei akuter Suizidgefahr:
Notruf 112 oder Telefonseelsorge: 0800 111 0 111 (kostenlos, rund um die Uhr)