Suchterkrankung- nicht Stoffgebunden

  • Nichtstoffgebundene Suchterkrankungen, auch Verhaltenssüchte genannt, sind Abhängigkeiten, die nicht durch Substanzen wie Alkohol oder Drogen, sondern durch bestimmte Verhaltensweisen entstehen. Typische Beispiele sind Glücksspielsucht, Online- und Computerspielsucht, Kaufsucht, Arbeitssucht oder Internetsucht. Auch Essverhalten kann suchtähnliche Züge annehmen, wenn es primär um Kontrollverlust und Wiederholung geht.

    Charakteristisch ist, dass Betroffene das jeweilige Verhalten nicht mehr kontrollieren können. Sie verlieren das Maß und betreiben es trotz negativer Folgen immer weiter. Das Verhalten wird zur zentralen Aktivität des Lebens – andere Bereiche wie Arbeit, Schule, Familie oder Freundschaften treten zunehmend in den Hintergrund.

    Beispiele:

    • Ein Spielsüchtiger verbringt täglich viele Stunden in Spielhallen oder beim Online-Poker, verschuldet sich massiv und verliert soziale Kontakte.

    • Eine Jugendliche mit Computerspielsucht vernachlässigt Schule, Freunde und Schlaf, um rund um die Uhr online spielen zu können.

    • Eine Frau mit Kaufsucht verschuldet sich durch ständige, unkontrollierte Einkäufe, die sie später bereut, aber trotzdem wiederholt.

    Für Betroffene bringt eine Verhaltenssucht gravierende Folgen:

    • Psychisch: Schuldgefühle, Scham, Ängste, Depressionen.

    • Sozial: Konflikte mit Angehörigen, Rückzug, Vereinsamung.

    • Finanziell: Verschuldung, Verlust von Arbeitsplatz oder Ausbildung.

    • Körperlich: Bei Onlinesucht z. B. Schlafstörungen, Bewegungsmangel, Übergewicht.

    Auch Angehörige leiden erheblich. Sie sehen zu, wie ein geliebter Mensch immer mehr in seiner Sucht aufgeht, und fühlen sich oft hilflos oder überfordert. Häufig entstehen Schuldgefühle, Streit und Vertrauensverlust. Besonders Kinder sind gefährdet, wenn ein Elternteil die Familie durch Spielsucht oder Kaufsucht in finanzielle Not bringt.

    Hilfen und Behandlungsmöglichkeiten:

    • Beratung: Spezialisierte Suchtberatungsstellen für Glücksspielsucht oder Medienabhängigkeit sind erste Anlaufstellen.

    • Psychotherapie: Verhaltenstherapie hilft, Auslöser zu erkennen, Kontrollstrategien zu entwickeln und Rückfälle zu vermeiden. Auch tiefenpsychologische Verfahren oder systemische Ansätze können wirksam sein.

    • Selbsthilfegruppen: (z. B. „Gamblers Anonymous“, „Anonyme Kaufsüchtige“) bieten Austausch, Unterstützung und Motivation.

    • Sozialarbeiterische Unterstützung: Hilfe bei Schuldnerberatung, Wohnungssicherung oder Behördenangelegenheiten.

    • Medizinische Versorgung: Wenn die Sucht zu Depressionen, Angst oder körperlichen Erkrankungen führt, kann eine begleitende Behandlung notwendig sein.

    Verhaltenssüchte sind ernsthafte, oft chronische Erkrankungen, die nicht unterschätzt werden dürfen. Mit einer Kombination aus Beratung, Therapie, Selbsthilfe und sozialer Unterstützung können Betroffene jedoch lernen, Kontrolle zurückzugewinnen und ein stabiles Leben ohne Suchtverhalten aufzubauen.

  • Der Einstieg in Hilfe und Behandlung bei Verhaltenssüchten ist oft besonders schwierig, da Betroffene und Angehörige die Erkrankung zunächst häufig nicht als „echte Sucht“ wahrnehmen. Während bei Alkohol- oder Drogenabhängigkeit der körperliche Schaden offensichtlich ist, werden Glücksspielsucht, Kaufsucht oder Computerspielsucht oft lange verharmlost („nur ein Hobby“, „jeder spielt doch mal“). Das führt dazu, dass Betroffene häufig erst sehr spät Hilfe suchen – oft erst, wenn massive finanzielle oder soziale Probleme entstanden sind.

    Umso wichtiger sind frühzeitige Anlaufstellen, die niedrigschwellige Unterstützung bieten.

    Medizinische und therapeutische Anlaufstellen

    • Hausarzt oder Hausärztin: Erste Ansprechpartner, besonders wenn bereits körperliche oder psychische Folgen spürbar sind (z. B. Schlafstörungen, Depressionen). Sie können Überweisungen zu Psychotherapeut:innen oder Fachkliniken ausstellen.

    • Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie: Stellen die Diagnose, behandeln Begleiterkrankungen (z. B. Depression, Angst) und koordinieren die weitere Therapie.

    • Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten:Bieten spezialisierte Behandlung bei Verhaltenssüchten, häufig verhaltenstherapeutisch ausgerichtet. Ziel ist die Entwicklung von Strategien zur Rückfallprävention und zur Strukturierung des Alltags.

    Spezialisierte Angebote

    • Suchtberatungsstellen: In fast allen Städten und Landkreisen gibt es spezielle Beratungsangebote für Glücksspielsucht oder Medienabhängigkeit. Hier erhalten Betroffene vertraulich, kostenlos und oft anonym Unterstützung.

    • Spezialisierte Ambulanzen und Kliniken: Einige Fachkliniken für Psychosomatik oder Sucht bieten stationäre oder teilstationäre Behandlungen für Verhaltenssüchte an.

    • Online-Beratungsangebote: Viele Träger (z. B. Caritas, Diakonie, Fachverbände für Glücksspielsucht) bieten mittlerweile auch Chat- oder Mailberatung an, was für Menschen mit Internetsucht einen leichteren Zugang ermöglicht.

    Soziale und psychosoziale Anlaufstellen

    • Sozialpsychiatrische Dienste: Unterstützen bei psychosozialen Krisen, vermitteln Hilfen und können auch Hausbesuche anbieten.

    • Selbsthilfegruppen: Zum Beispiel „Gamblers Anonymous“ (für Glücksspielsucht) oder Gruppen für Kaufsucht und Onlinesucht. Der Austausch mit anderen Betroffenen hilft, das Gefühl der Isolation zu überwinden und dranzubleiben.

    In Krisensituationen

    • Bei akuter Verzweiflung oder Suizidgedanken sollte sofort Hilfe gesucht werden – entweder über den ärztlichen Bereitschaftsdienst (116 117), den Rettungsdienst (112) oder durch direkte Vorstellung in einer psychiatrischen Klinik.

    • Auch die Telefonseelsorge (0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222) ist rund um die Uhr erreichbar, kostenlos und anonym.

    Fazit

    Der erste Schritt besteht darin, das Suchtverhalten ernst zu nehmen und offen darüber zu sprechen. Frühzeitige Beratung kann verhindern, dass Schulden, Isolation oder gesundheitliche Folgen unbeherrschbar werden. Je früher Hilfe gesucht wird, desto besser sind die Chancen, Kontrolle zurückzugewinnen und ein stabiles Leben ohne Suchtverhalten aufzubauen.

  • Nicht jede Verhaltenssucht macht Eingliederungshilfe notwendig. Viele Betroffene kommen mit Psychotherapie, Schuldnerberatung und ambulanter Unterstützung aus. Doch in schweren und chronischen Fällen, wenn die Sucht das Leben vollständig bestimmt und die gesellschaftliche Teilhabe massiv eingeschränkt ist, kann Eingliederungshilfe nach dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) gewährt werden.

    Wann besteht Anspruch?

    Eine nichtstoffgebundene Suchterkrankung gilt als seelische Behinderung, wenn sie zu dauerhaften Beeinträchtigungen im Alltag und in der Selbstständigkeit führt. Entscheidend ist nicht allein die Diagnose, sondern die Auswirkung auf Wohnen, Arbeit, soziale Beziehungen und Lebensführung.

    Typische Einschränkungen

    • Glücksspielsucht: Massive Verschuldung, Verlust von Wohnung und Arbeit, Isolation.

    • Onlinesucht / Computerspielsucht: Schul- oder Ausbildungsabbruch, fehlende Tagesstruktur, völliger Rückzug in die digitale Welt.

    • Kaufsucht: Dauerhafte Überschuldung, Unfähigkeit, eigenständig Finanzen zu regeln oder Verträge zu überblicken.

    Mögliche Leistungen der Eingliederungshilfe

    • Ambulant betreutes Wohnen: Unterstützung bei Haushaltsführung, Finanzen und Behördenangelegenheiten.

    • Tagesstätten oder tagesstrukturierende Angebote: Schaffen feste Abläufe, soziale Kontakte und sinnvolle Beschäftigung.

    • Sozialpädagogische Begleitung: Unterstützung beim Aufbau neuer Lebensstrategien, Konfliktbewältigung und Krisenintervention.

    • Assistenzleistungen: Begleitung zu Terminen, bei Einkäufen oder in Freizeitaktivitäten.

    • Berufliche Teilhabe: Umschulungen, berufsvorbereitende Maßnahmen oder Integrationshilfen, wenn Ausbildung oder Beruf abgebrochen wurden.

    • Besondere Wohnformen: Wohngruppen oder therapeutisch betreute Einrichtungen, wenn eigenständiges Wohnen (noch) nicht möglich ist.

    Antragstellung und Verfahren

    • Zuständig sind die Sozialämter oder je nach Bundesland die Eingliederungshilfeträger.

    • Erforderlich ist eine Bedarfsermittlung (z. B. nach BEI_NRW, Metzler oder ITP).

    • Grundlage ist ein fachärztliches oder psychologisches Gutachten, das die seelische Behinderung und deren Auswirkungen beschreibt.

    • Die Leistungen werden individuell zugeschnitten und regelmäßig überprüft.

    Beispiele

    • Herr M. leidet seit Jahren an Glücksspielsucht. Er hat durch seine Schulden die Wohnung verloren, lebt in einer Notunterkunft und ist ohne Unterstützung nicht in der Lage, Behördenkontakte oder Alltagsaufgaben zu bewältigen. → Ambulant betreutes Wohnen und Schuldnerberatung als Teil der Eingliederungshilfe.

    • Frau K. mit schwerer Computerspielsucht hat ihre Ausbildung abgebrochen, schläft tagsüber und spielt nachts. Sie verlässt kaum die Wohnung und verliert alle sozialen Kontakte. → Tagesstätte und sozialpädagogische Begleitung, um Tagesstruktur und soziale Teilhabe wieder aufzubauen.

    • Herr S. mit Kaufsucht hat so hohe Schulden, dass er keine Verträge mehr überblickt. Er kann eigenständig weder Finanzen regeln noch seine Wohnung halten. → Besondere Wohnform mit enger Betreuung, kombiniert mit Schuldnerhilfe.

    Fazit

    Die Eingliederungshilfe ist bei Verhaltenssüchten kein Standard, aber bei schweren Verläufen ein unverzichtbares Instrument, um Strukturen, Stabilität und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Sie ergänzt psychotherapeutische und soziale Angebote, indem sie das Fundament für ein selbstbestimmtes Leben legt.

  • Bei vielen Verhaltenssüchten spielt die finanzielle Dimension eine zentrale Rolle. Besonders bei Glücksspielsucht und Kaufsucht geraten Betroffene häufig in eine massive Verschuldung, die sich ohne professionelle Hilfe kaum mehr bewältigen lässt. Auch bei Internetsucht oder anderen Abhängigkeiten können Kosten entstehen (z. B. durch Mikrotransaktionen, Online-Käufe oder Kredite), die das Leben stark belasten.

    Typische Probleme

    • Einnahmen werden vollständig für das Suchtverhalten aufgebraucht.

    • Kreditkarten oder Dispokredite werden überzogen, um weiter konsumieren oder spielen zu können.

    • Miet- und Stromschulden entstehen, weil Geld an anderer Stelle ausgegeben wird.

    • Verträge und Rechnungen werden ignoriert oder aus Scham nicht geöffnet.

    • Betroffene sehen keinen Ausweg mehr und entwickeln Suizidgedanken aufgrund der Schuldenlast.

    Wie die Schuldnerberatung hilft

    • Finanzübersicht: Erstellung einer genauen Aufstellung von Einnahmen, Ausgaben und Schulden.

    • Krisenintervention: Verhandlungen mit Gläubigern, um Zwangsvollstreckungen, Stromsperren oder Wohnungsverlust zu verhindern.

    • Schuldenregulierung: Erstellung von Ratenplänen oder Vergleichsvereinbarungen.

    • Insolvenzverfahren: Unterstützung bei der Beantragung einer Verbraucherinsolvenz, wenn Schulden nicht mehr regulierbar sind.

    • Schutz vor Überschuldung: Einrichtung von Pfändungsschutzkonten (P-Konten), um das Existenzminimum zu sichern.

    • Verzahnung mit Suchttherapie: Viele Beratungsstellen arbeiten eng mit Suchthilfeeinrichtungen zusammen, um sowohl die Schulden als auch die Sucht zu bearbeiten.

    Zugang und Wartezeiten

    • Schuldnerberatungen werden von Wohlfahrtsverbänden (Caritas, Diakonie, AWO), Kommunen oder gemeinnützigen Vereinen angeboten.

    • Die Beratung ist in der Regel kostenlos.

    • Termine sind meist innerhalb weniger Wochen möglich – in akuten Notlagen (z. B. drohende Wohnungslosigkeit) auch schneller.

    Beispiele

    • Herr M. mit Glücksspielsucht hat 30.000 € Spielschulden. Die Schuldnerberatung hilft ihm, ein Insolvenzverfahren einzuleiten und gleichzeitig eine Suchttherapie zu beginnen.

    • Frau K. mit Kaufsucht hat durch unkontrolliertes Online-Shopping mehrere Kreditkarten überzogen. Die Schuldnerberatung verhandelt mit den Banken und hilft, einen Ratenplan aufzustellen.

    • Herr S. mit Onlinesucht hat durch Mikrotransaktionen in Computerspielen mehrere tausend Euro ausgegeben. Die Schuldnerberatung sorgt dafür, dass sein Konto als P-Konto gesichert wird und er seinen Lebensunterhalt behalten kann.

    Fazit

    Schuldnerberatung ist bei Verhaltenssüchten oft unverzichtbar, da finanzielle Probleme eine der größten Belastungen darstellen und den Kreislauf der Sucht verstärken. Sie gibt Betroffenen und Angehörigen Handlungsfähigkeit zurückund ist häufig ein entscheidender Schritt, um Stabilität aufzubauen und den Weg in Therapie und Genesung freizumachen.