Bipolare Stöung
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Die bipolare Störung ist eine schwere psychische Erkrankung, bei der die Stimmung stark schwankt. „Bipolar“ bedeutet „zwei Pole“. Betroffene erleben extreme Gegensätze: Zeiten tiefer Niedergeschlagenheit, in denen sie kaum noch Energie haben (depressive Phase), und Zeiten übersteigerter Aktivität, Euphorie oder Gereiztheit (manische Phase). Zwischen diesen Phasen gibt es oft auch stabile Abschnitte, in denen die Stimmung ausgeglichen ist.
In einer depressiven Phase fühlen sich die Betroffenen antriebslos, traurig und wertlos. Sie ziehen sich zurück, verlieren Freude an früheren Aktivitäten und haben Schwierigkeiten, den Alltag zu bewältigen. Schlafprobleme, Schuldgefühle und manchmal auch Suizidgedanken belasten zusätzlich.
In einer manischen Phase dagegen haben Betroffene übermäßig viel Energie. Sie schlafen kaum, sprechen sehr schnell und haben viele Ideen gleichzeitig. Häufig fühlen sie sich unbesiegbar, überschätzen ihre Fähigkeiten und treffen unüberlegte Entscheidungen. Das kann zu hohen Geldausgaben, riskantem Verhalten oder Konflikten mit anderen führen. Manche Menschen erleben statt Euphorie auch starke Reizbarkeit und Aggression.
Diese extremen Stimmungsschwankungen machen es sehr schwer, ein stabiles Leben zu führen. Arbeit, Studium oder Schule werden durch die wiederkehrenden Phasen erschwert. Beziehungen zu Familie, Partnern oder Freunden leiden oft, weil das Verhalten unberechenbar wirkt. Viele Betroffene schämen sich, wenn sie in einer manischen Phase Fehler gemacht haben, und geraten dadurch noch stärker in depressive Phasen. Auch Angehörige sind stark belastet, da sie oft nicht wissen, wie sie auf die schnellen Wechsel reagieren sollen.
Trotz dieser großen Herausforderungen gibt es wirksame Hilfen. Die wichtigste Grundlage ist eine gute medizinische und therapeutische Behandlung. Medikamente, sogenannte Stimmungsstabilisierer (z. B. Lithium), helfen, die Stimmung auszubalancieren und Rückfälle zu verhindern. In manchen Fällen werden zusätzlich Antidepressiva oder Neuroleptika eingesetzt. Sie können Symptome lindern, müssen aber sorgfältig eingestellt und regelmäßig kontrolliert werden.
Eine ebenso wichtige Rolle spielt die Psychotherapie. In Verhaltenstherapie oder psychoedukativen Gruppen lernen Betroffene, ihre Erkrankung besser zu verstehen, Frühwarnzeichen zu erkennen und mit Stimmungsschwankungen umzugehen. Auch Strategien zur Stressbewältigung, zur Verbesserung des Schlafs und zum Aufbau einer Tagesstruktur gehören dazu.
Sehr hilfreich ist die sozialarbeiterische Unterstützung. Fachkräfte helfen, den Alltag zu organisieren, bei Anträgen (Pflegeversicherung, Erwerbsminderungsrente, Eingliederungshilfe) zu unterstützen und Kontakte zu Beratungsstellen oder Selbsthilfegruppen herzustellen. Sie können auch bei beruflicher Wiedereingliederung begleiten und dabei helfen, Krisenpläne zu entwickeln.
Neben der professionellen Behandlung sind auch Alltagsstrategien entscheidend. Ein regelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus, feste Tagesstrukturen, gesunde Ernährung und Bewegung können helfen, die Stimmung zu stabilisieren. Viele Betroffene führen ein Frühwarnzeichen-Tagebuch, in dem sie Veränderungen ihrer Stimmung, ihres Schlafes oder ihrer Aktivität festhalten. So können sie schneller reagieren, bevor eine neue Phase voll ausbricht.
Für Angehörige ist es wichtig, über die Erkrankung informiert zu sein. Wenn sie verstehen, dass die Stimmungsschwankungen Teil der Krankheit sind und nicht absichtlich herbeigeführt werden, fällt es leichter, unterstützend und geduldig zu reagieren. Auch für Angehörige gibt es Beratungsangebote und Selbsthilfegruppen, die entlastend wirken können.
Insgesamt ist die bipolare Störung eine komplexe, aber behandelbare Erkrankung. Mit einer Kombination aus Medikamenten, Psychotherapie, sozialarbeiterischer Unterstützung und stabilisierenden Alltagsstrategien können viele Betroffene lernen, mit den Schwankungen besser umzugehen und ein erfülltes Leben zu führen. Wichtig ist, die Krankheit ernst zu nehmen, Hilfe frühzeitig anzunehmen und ein stabiles Netzwerk aus Fachleuten, Angehörigen und Unterstützungsangeboten aufzubauen.
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Wenn man bei sich selbst oder einem Angehörigen den Verdacht auf eine bipolare Störung hat, ist es wichtig, frühzeitig zu handeln. Je schneller eine Diagnose gestellt wird, desto besser lassen sich die Phasen erkennen und behandeln.
Zuerst sollten die eigenen Beobachtungen ernst genommen werden: Starke Stimmungsschwankungen, die über mehrere Tage oder Wochen anhalten, sind kein „normales Auf und Ab“. Wenn jemand über längere Zeit antriebslos und niedergeschlagen ist und danach plötzlich ungewöhnlich viel Energie hat, ohne Schlaf auszukommen meint oder riskante Entscheidungen trifft, kann das auf eine bipolare Störung hinweisen.
Die erste Anlaufstelle ist meist die Hausärztin oder der Hausarzt. Dort können die Symptome geschildert und erste Untersuchungen gemacht werden. Oft erfolgt anschließend eine Überweisung zu einer Fachärztin oder einem Facharzt für Psychiatrie.
Auch eine Psychotherapie-Sprechstunde ist ein wichtiger Weg, um schnell eine erste Einschätzung zu bekommen. Dort wird geprüft, welche Therapieform passt und wie dringlich der Behandlungsbedarf ist.
Die Psychiatrische Institutsambulanz (PIA) ist eine besonders wichtige Anlaufstelle für Menschen mit bipolarer Störung. Dort gibt es spezialisierte Teams, die auf schwere und chronische psychische Erkrankungen eingestellt sind. Sie bieten sowohl ärztliche als auch therapeutische Unterstützung und können Betroffene längerfristig begleiten.
Wenn die Symptome sehr ausgeprägt sind oder eine akute Krise vorliegt, kann eine Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapiehelfen. Dort gibt es stationäre oder teilstationäre Behandlungen. Ein Klinikaufenthalt kann notwendig sein, wenn die Erkrankung das Leben stark beeinträchtigt, Gefahr für sich selbst oder andere besteht oder ambulante Hilfen nicht ausreichen.
Darüber hinaus gibt es den Sozialpsychiatrischen Dienst in jeder Region. Er bietet kostenlose Beratung, vermittelt Hilfen und unterstützt auch Angehörige. In akuten Krisen ist er oft schnell erreichbar.
In einer akuten Krise, insbesondere wenn Suizidgedanken oder stark selbstgefährdendes Verhalten auftreten, gilt: sofort den Notruf 112 wählen oder den psychiatrischen Notdienst anrufen.
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Viele Menschen mit einer bipolaren Störung können über lange Zeit stabil leben, wenn sie gut behandelt werden. Dennoch gibt es Phasen, in denen die Erkrankung so stark ist, dass Unterstützung im Alltag notwendig wird. Hier greift die Eingliederungshilfe nach dem Bundesteilhabegesetz (BTHG). Sie soll Menschen mit psychischen Erkrankungen dabei unterstützen, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu führen.
Assistenzleistungen sind sehr flexibel und passen sich dem individuellen Bedarf an. Sie können beinhalten, Termine wahrzunehmen, Einkäufe zu erledigen, die Wohnung in Ordnung zu halten oder Kontakte zu pflegen.
Beispiel: Herr B. leidet unter wiederkehrenden manischen Phasen. Nach einer solchen Episode fällt es ihm schwer, Ordnung in seine Unterlagen und Finanzen zu bringen. Eine Assistentin hilft ihm, Rechnungen zu sortieren, Formulare auszufüllen und Termine einzuhalten.Beim Ambulant Betreuten Wohnen leben Betroffene in der eigenen Wohnung und bekommen regelmäßige Unterstützung durch Fachkräfte. Die Mitarbeiter:innen helfen, den Alltag zu strukturieren, Krisen vorzubeugen und langfristige Ziele zu entwickeln.
Beispiel: Frau L. lebt allein in ihrer Wohnung. Ihr Betreuer kommt zweimal pro Woche vorbei, spricht mit ihr über Stimmungsschwankungen, hilft bei Anträgen und unterstützt sie dabei, eine Tagesroutine einzuhalten.Besondere Wohnformen sind Einrichtungen, in denen rund um die Uhr Fachpersonal zur Verfügung steht. Sie sind für Menschen gedacht, die in einer akuten Phase nicht allein leben können oder mehrfach in Krisen geraten.
Beispiel: Herr K. hat in kurzer Zeit mehrere manische Phasen mit Klinikaufenthalten durchgemacht. In einer besonderen Wohnform bekommt er feste Tagesstruktur, medizinische Begleitung und soziale Aktivitäten. So stabilisiert er sich Schritt für Schritt.Eine weitere Möglichkeit ist die Tagesstätte. Sie bietet Beschäftigung, Gemeinschaft und feste Tagesabläufe. Betroffene nehmen an kreativen, handwerklichen oder geselligen Aktivitäten teil, lernen wieder Verantwortung zu übernehmen und erleben Erfolgserlebnisse.
Beispiel: Frau M. besucht an drei Tagen in der Woche die Tagesstätte. Dort macht sie bei einer Kochgruppe mit, trifft andere Menschen und gewinnt neue Sicherheit.Alle diese Hilfen haben ein Ziel: den Alltag zu erleichtern, Krisen vorzubeugen und Betroffenen zu ermöglichen, trotz Krankheit aktiv am Leben teilzunehmen.
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Auch bei einer bipolaren Störung kann ein Pflegegrad beantragt werden, wenn die Erkrankung dazu führt, dass alltägliche Fähigkeiten stark eingeschränkt sind. Dabei geht es nicht nur um körperliche Pflege, sondern auch um die Unterstützung bei psychischen oder kognitiven Einschränkungen.
Menschen in einer depressiven Phase brauchen oft Hilfe beim Aufstehen, Anziehen, Einkaufen oder Essen. In einer manischen Phase besteht manchmal ein Risiko durch unüberlegte Handlungen oder fehlendes Schlafbedürfnis. Angehörige müssen dann viel auffangen und sind stark gefordert.
Die Pflegeversicherung bietet verschiedene Leistungen:
Pflegegeld, wenn Angehörige die Betreuung übernehmen.
Pflegesachleistungen, wenn ein Pflegedienst hilft.
Kombinationsleistungen, wenn beides genutzt wird.
Entlastungsbetrag (125 € monatlich) für haushaltsnahe Hilfen oder Alltagsbegleiter.
Tages- und Nachtpflege, wenn mehr Struktur oder Entlastung nötig ist.
Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege, wenn Angehörige verhindert sind oder eine Auszeit brauchen.
Die Wirkung dieser Hilfen ist vielfältig: Sie entlasten Angehörige, sorgen für mehr Sicherheit im Alltag und können verhindern, dass sich Krisen zuspitzen. Besonders wichtig ist auch, dass pflegende Angehörige nicht selbst erkranken, sondern Unterstützung erhalten.
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Menschen mit einer bipolaren Störung erleben oft starke Stimmungsschwankungen. In manischen Phasen handeln sie manchmal unüberlegt, schließen riskante Verträge ab oder treffen weitreichende finanzielle Entscheidungen. In depressiven Phasen fehlt dagegen oft der Antrieb, wichtige Angelegenheiten zu regeln – sei es die Bearbeitung von Post, die Organisation von Arztterminen oder die Verwaltung von Geld.
Wenn dadurch wichtige rechtliche und finanzielle Angelegenheiten nicht mehr zuverlässig erledigt werden können, kann eine gesetzliche Betreuung eine wichtige Hilfe sein.
Eine gesetzlicher Betreuer*in wird vom Gericht bestellt und unterstützt die betroffene Person nur in den Bereichen, in denen es notwendig ist – zum Beispiel bei Finanzen, Behördenangelegenheiten oder Gesundheitsfragen. Ziel ist nicht, die Selbstständigkeit zu nehmen, sondern sie zu schützen.
Beispiel: Frau M. unterschreibt in einer manischen Phase mehrere teure Handyverträge und nimmt einen Kredit auf. Ihr gesetzlicher Betreuer prüft künftig Verträge und verhindert dadurch weitere Schulden. In einer depressiven Phase sorgt er dafür, dass Arzttermine wahrgenommen und Anträge rechtzeitig gestellt werden.
Gesetzliche Betreuung ist damit eine Sicherheitsmaßnahme, die vor finanziellen Schäden, rechtlichen Problemen und gesundheitlichen Risiken schützen kann.
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Die bipolare Störung kann dazu führen, dass Betroffene zeitweise oder dauerhaft nicht arbeitsfähig sind. Deshalb gibt es verschiedene finanzielle Hilfen:
Krankengeld: Wenn man länger als 6 Wochen arbeitsunfähig ist. Es beträgt ca. 70 % des Bruttogehalts (max. 90 % des Netto) und wird bis zu 78 Wochen gezahlt.
Erwerbsminderungsrente: Wenn die Arbeitsfähigkeit dauerhaft eingeschränkt ist. Bei weniger als 6 Stunden täglich besteht Anspruch auf teilweise, bei weniger als 3 Stunden auf volle Erwerbsminderungsrente. Voraussetzung sind genügend Rentenbeiträge.
Arbeitslosengeld I: Wenn man in den letzten 30 Monaten mindestens 12 Monate versicherungspflichtig gearbeitet hat und arbeitslos gemeldet ist.
Bürgergeld (SGB II): Wenn kein Anspruch auf ALG I besteht oder das Einkommen nicht reicht.
Übergangsgeld bei Reha: Während medizinischer oder beruflicher Reha-Maßnahmen, ca. 68 % des Nettoeinkommens (mit Kind 75 %).
Wohngeld oder Grundsicherung (SGB XII): Wenn Einkommen oder Rente nicht ausreichen, um den Lebensunterhalt und die Wohnkosten zu decken.
Schwerbehindertenausweis (GdB): Bei dauerhaft schweren Einschränkungen. Ab GdB 50 gelten Nachteilsausgleiche wie Steuererleichterungen, Zusatzurlaub und besonderer Kündigungsschutz.
Diese Leistungen sollen Betroffenen und Angehörigen finanzielle Sicherheit geben, damit sie sich auf die Behandlung konzentrieren können. Sie nehmen Druck aus dem Alltag und sorgen dafür, dass die Existenz auch in schwierigen Phasen gesichert bleibt.
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Bei bipolaren Störungen besteht ein hohes Risiko, dass sich Betroffene verschulden, vor allem in manischen Phasen. In dieser Zeit fühlen sie sich besonders leistungsfähig, überschätzen ihre finanziellen Möglichkeiten und geben viel Geld aus – oft für große Anschaffungen, Reisen oder riskante Investitionen. In depressiven Phasen fehlt dann die Kraft, die entstandenen Schulden zu bearbeiten. Mahnungen bleiben liegen, Inkasso-Firmen melden sich, und die Lage wird schnell unübersichtlich.
Die Schuldnerberatung ist deshalb für viele Menschen mit bipolarer Störung ein entscheidendes Hilfsangebot. Dort wird gemeinsam ein Überblick über die finanzielle Situation geschaffen, mit Gläubigern verhandelt und nach Lösungen gesucht – von Ratenzahlungen bis hin zu einem Insolvenzverfahren.
Ein großer Vorteil: Bei anerkannten Schuldnerberatungsstellen bekommt man meist innerhalb weniger Wochen einen Termin. Das ist besonders wichtig, wenn akute Forderungen oder Pfändungen drohen.
Beispiel: Herr K. hat in einer manischen Phase mehrere teure Elektrogeräte gekauft und kann die Raten nicht mehr zahlen. Die Schuldnerberatung hilft ihm, die Verträge zu prüfen, Ratenzahlungen auszuhandeln und langfristig einen Weg aus den Schulden zu finden.
Die Schuldnerberatung entlastet nicht nur finanziell, sondern auch psychisch: Wenn die Geldsorgen geordnet sind, haben Betroffene wieder mehr Kraft für ihre Behandlung und ihren Alltag.